Die Westküste wird zu recht als der schönste Küstenabschnitt bezeichnet, vor allem „Les Calanches“ sind eindrucksvoll. Die Relax-Tage am Plage du Stagnone taten gut. Aufgrund der Pfingstfeiertage und -ferien nehmen wir uns jetzt das Herz Korsika‘s vor. Die Küste überlassen wir den „Ferienabhängigen“ und den Sonnenhungrigen, zu denen wir allerdings auch gehören. Ein stabiles Sommerhoch fühlt sich anders an, beinahe täglich schickt der Himmel Donnergrollen und Gewitterregen, davor und danach gibt es aber meist tiefblauen Himmel.
25. – 30. Mai 2023
Bei Sagone biegen wir ein in die D70, die uns über einige Pässe ins Landesinnere bringen wird. Am Col de Sevj scheint noch die Sonne. Die kleine Wanderung zu den Cascade d’Aitone gelingt im Trockenen, aber die Gewitterwolken versprechen auch heute das Unvermeidliche.
Die Badegumpen sind im Hochsommer bestimmt ein beliebtes Ausflugsziel, wir sind hier fast alleine.
Am Col de Verghio machen wir Mittagsrast, das erwartete Gewitter verhindert eine geplante Wanderung. Es gäbe viele Möglichkeiten, auch der GR 20 führt hier vorbei.
Ein Mittags-Schläfchen ist doch auch erholsam.
Im Tal des Golo, er ist der längste Fluss Korsikas, kommen wir jetzt zum schönsten Abschnitt, Scala di Santa Régina, die Treppe der Himmelkönigin. Bei Regen bzw. trüben Wetter ist selbst dieses Juvel etwas trostlos: Jo eh schee…da geht’s aba steil obi….scho wieda Gegenverkehr…wann de Sunn scheinat, mochat i a Foto!
Tut mir leid, meine lieben deutschen Freunde, so ist mir der Schnabel gewachsen und ich muss es auch nicht übersetzten, denke ich 🙂 ihr wißt schon was ich meine!
Corte hat wieder bestes Wetter für uns und schon wächst die Begeisterung.
Im ersten Moment sind wir überrascht, weil der auserwählte CP Chez Bartho (im Müller-Führer steht, dass nur dieser einzige empfehlenswert ist) keine Camper mehr aufnehmen kann. „Sorry, full“ – ist die einsilbige Antwort auf meine Frage. Die meisten CP waren bisher halb leer.
Wir nehmen sozusagen den nächst-besten, CP Le Restonica. Auch direkt am Fluss gelegen, eine relativ große, ebene Wiese, überaus freundlich erklärt das junge Fräulein, wir sollen uns einfach einen Platz aussuchen und dann zum Einchecken wieder kommen. Alles easy, keine Eile! Wir finden ein schönes Wiesenfleckerl, die Restonica rauscht vorbei, die Sonne scheint, alles wieder gut. Da gibt es gar nichts auszusetzen.
Der nächste Tag beginnt schon warm und wird dann richtig heiß, wir machen uns auf zum Stadtrundgang, der praktischerweise fußläufig machbar ist. Corte ist eine Stadt voller Leben. Hier ist die einzige Universität Korsikas und die Studenten drücken der Stadt den unvergleichlichen Stempel auf. Viele Bar’s und Kneipen, überall wird diskutiert, getratscht, gelacht, gegessen und getrunken. Das fühlt sich gut an.
Der erste Fotostopp gehört natürlich dem Nationalhelden Pasquale Paoli.
Um ihn ranken sich viele Geschichten, die jeder gerne selbst nachlesen kann. Ich will damit niemanden langweilen. Nur soviel soll gesagt werden – damit man den Nationalstolz besser verstehen kann – er unterstützte den Widerstand gegen die jahrhundertelange Fremdherrschaft und Ausbeutung, er schaffte es sogar, einige Jahre die Freiheit und Unabhängigkeit für Korsika zu erlangen. Corte war damals die Hauptstadt, hier gründete er auch die oben erwähnte Universität.
Am Place Paoli reihen sich Restaurants, Bars und Souvenirläden rund um die Statue, dazwischen PKW, Lieferautos und natürlich auch Touristen. Nicht zu knapp, es ist das Pfingstwochenende!
Wir steigen die Treppen hoch zum Place Gaffori, hier wird der nächste General und Held im Kampf um Korsikas Freiheit verehrt, Jean Pierre Gaffori.
Es geht eng zu, viele Lokale warten auf Gäste und die Touristen stürmen die Souvenirbuden. Dazwischen zwängen sich Autos durch die engen Gassen, es ist schade, dass man zumindest den historischen Kern nicht autofrei halten kann.
Wir trinken den unvermeidlichen Pastis, direkt unter dem wachsamen Auge vom General Gaffoni und vor der zerschossenen Hausfassade, die man – ganz patriotisch und symbolträchtig – nicht renovieren mag.
Wir streifen durch die Stadt, gehen hinauf zur Zitadelle und zum Belvedere.
Der Blick zur Burg und hinunter zur Stadt ist schon sehr beeindruckend.
Die Église de i’Annonciation mit dem freistehenden Glockenturm – er gilt als Wahrzeichen von Corte
Korsische Produkte, wohin man schaut. Wir kosten und kaufen uns durch.
In einem kleinen Restaurant gibt es endlich ein typisch korsisches Essen für uns.
Köstliches Wildschweinragout im Blätterteigschüsserl, besser kann man sich das gar nicht ausdenken. Gestärkt und begeistert von der Stadt und ihren freundlichen Menschen marschieren wir wieder heim.
An dieser Stelle muss ich auch ein Vorurteil berichtigen. Wir hörten und lasen vielfach, dass die Korsen ein unzugängliches, stolzes Volk sind, den Fremden gegenüber misstrauisch bis abweisend. Unsere Erfahrung ist eine ganz andere. Dass die Menschen, die vom Tourismus abhängig sind, freundlich sein müssen (sollen!) ist berufsbedingt. Aber wir haben bisher nur nette, hilfsbereite und überaus freundliche Leute kennengelernt, einzige Barriere ist die Sprache. Die wenigsten können englisch, geschweige denn deutsch, und unsere Französischkenntnisse beschränken sich auf ein paar Floskeln. Wie immer und überall auf der Welt schafft man mit Bodylanguage und Fröhlichkeit eine Verständigung und schon ist Sympathie auf beiden Seiten.
Morgen planen wir die Wanderung zum Lac de Melo, der Klassiker in Korsika. Zumindest so weit es für uns möglich ist. Da beginnt es sich schon zu spießen 🙁
Die Dame am CP sagt uns, dass Fahrzeuge über 1,90m Breite ab dem CP de Tuani nicht mehr bis zum großen P im Restonica-Tal fahren dürfen. Aber sie bietet einen Shuttle an: „Tomorrow full, but Sunday free“. Ihr englisch ist lückenhaft, das habe ich zwar gemerkt, aber darauf vertraut, dass es klappt. Sie reserviert für uns 2 Plätze mit Hund.
Den Samstag nutzen wir deshalb zur Wanderung ins Tavignano-Tal, das Paralelltal zur Restonica. Eine herrliche Tour auf einem alten Maultierpfad bis zur Passerelle de Rossolino. Der Weg führt zumeist hoch über dem Flussbett durch die sagenhaft schöne, blütenreiche Landschaft.
Es gibt keine Straße, nur Maultiere durften oder mussten die Lasten für die Hirten tragen.
Für Flora ist es grenzwertig heiß, wir haben ausreichend Wasser mit und gönnen ihr bei jedem der spärlichen Baumschatten eine Pause.
Erfreulicherweise gibt es 2x eine Wasserquelle zum Abkühlen für sie.
Besorgt blicken wir stets zum Himmel, wir warten auf die täglichen Gewitterbedrohung. Kurz vor dem eigentlichen Ziel, der alten Holzbrücke, bildet ein Zufluss herrlich große Badegumpen, wie eine Oase nach der schweißtreibenden Wanderung.
Für uns perfekt um die Füße zu kühlen, Flora erfrischt sich schwimmend im kalten, klaren, smaragdgrünen Wasser.
Ganz alleine können wir das Paradies genießen, dann beschließen wir den Rückzug.
Einem Gewitter wären wir schutzlos ausgeliefert – aber – wie zum Hohn, heute gibt es kein Gewitter. Darüber sind wir trotzdem happy, nehmen die Abkürzung durch die Stadt zurück zum CP und erfrischen uns im kühlen Schatten einer Bar. Womit? Das sag ich nicht 🙂
Am Abend kommen auch Marion und Richard am Platz, da klingt der Abend eines schönen und etwas anstrengenden Tages sehr gemütlich aus.
Wir stehen am Sonntag pünktlich um 8h parat, der Shuttle kommt nicht.
„Not today, tomorrow on Sunday“, meint die Dame auf meine Nachfrage. Today is Sunday! Aber sie glaubt mir nicht. Erst das andere, besser englisch sprechende, Fräulein klärt auf. She means Monday, not Sunday.
Ok, blöd gelaufen. Damit fällt auch die Wanderung zun Lac de Melo flach, weil wir ja nicht bis zum P fahren dürfen. Zwar wußten wir, dass wir mit Flora die Leiter-Kraxelei nicht machen können, wir hätten halt die “Ausweichroute“ gewählt.
„Da liegt noch viel zu viel Schnee!“ erzählen unsere netten Nachbarn aus Adnet, Angelika und Christian, die gerade von dort kommen und die wir nun schon zum 2. Mal zufällig treffen. Sie haben mit Ihrem VW-Bus die Insel schon sehr oft bereist und sind immer wieder begeistert – so wie wir.
Na dann eben nicht, Lac de Melo!
Etwas „ozipft“ reisen wir ab und nehmen die Straße bis zum CP selbst unter die Räder. Am CP de Tuani checken wir ein, er wird überall hochgelobt. Die vielen naturbelassenen Stellplätze entlang der Restonica sind wirklich einmalig schön, vom Rest (Sanitär) sind wir weniger erfreut.
Unser Platz ist riesig groß, direkt am Fluss, der durch das Schmelzwasser noch ziemlich reissend ist und eiskalt.
Der Wanderweg entlang der Restonica soll unser Ersatzprogramm sein, das erste Donnergrollen ist schon nach einer halben Stunde zu hören. Also umdrehen und bevor wir waschelnass werden, sind wir wieder zurück beim WoKi.
Bald darauf scheint wieder die Sonne, aber für eine größere Wanderung haben wir jetzt keine Lust mehr.
Am nächsten Tag das typische, hoffnungsfrohe Wetter: strahlend blauer Himmel. Wir wollen über Berg und Tal in den Süden. Zunächst auf der T 20, bei Vivario biegen wir ab auf die D 69 und es geht kurvenreich weiter bis wir den Col de Sorba erreichen – und uns das nächste Gewitter erreicht. Wir sind auf 1.311m und es ist saukalt 🙁
Somit streichen wir auch die geplante Fahrt auf den (legal) höchst anfahrbaren Straßenpunkt Korsikas – Berg. de Traggette, auf 1.620m. Mit Wolken und Nebel stellen wir uns das nicht sehr beeindruckend vor.
Col de Verde heißt der nächste Pass, er ist auf 1.289m. Bei heftigen Gewitterschauern hat er für uns keinen Reiz, deshalb steigen wir nicht einmal aus sondern kurven tapfer weiter.
Endlich landen wir wieder auf der „roten Straße“, der T 40 die uns rasch in den Süden bringen soll. Weil wir uns nach der heftigen Kurbelei die Füße vertreten wollen, bleiben wir bei der Pont de Spin’a Cavallu stehen, einer Genueserbrücke aus dem 13. Jahrhundert.
Jetzt lacht auch unser gelber Stern vom blauen Himmel, na endlich! Und warm ist es auch hier im Süden, wir sind erleichtert!
Bevor wir unserem nächsten Highlight Bonifacio zusteuern bleiben wir noch in dem als urkorsisches Dorf beschriebenen Sarténe stehen.
Mit den engen Gassen und den schmalen, oft bis zu acht Geschossen hohen Häusern ist es wie eine Zeitreise ins Mittelalter.
Natürlich ist man hier auf Touristen vorbereitet …
… aber auch die Korsen treffen sich hier auf ein Schwätzchen!
Für unseren Pastis brauchen wir sogar einen Schattenplatz im aussichtsreichen Gastgarten eines Restaurants, damit haben wir heute wohl nicht mehr gerechnet.
Den Nachtplatz finden wir umständlich und schweißtreibend, das ist dem Navi-Fräulein geschuldet (bzw. mir, weil ich nicht gut genug aufgepasst habe) das uns auf Ab- und Umwegen zum CP führt. Wiedereinmal ignoriert Wolfgang ein Fahrverbot für Wohnmobile, aber diesmal fragt er sogar einen Korsen, der lachend meint: Ja, ja…. des geht si scho aus! – frei übersetzt natürlich 🙂
An manchen Stellen hilft nur Spiegel einklappen und mir hilft danach bestenfalls ein 2. Pastis !!!
Bonifacio ist unser nächstes Ziel, wir freuen uns drauf!
Kommt mit, steigt ein, es ist eine unglaublich faszinierende Stadt.
Weiterlesen Juvel im Süden – Bonifacio / Korsika#5
2 Kommentare
Peter Giovannini
10. Juni 2023 at 12:37Wir lesen so gern eure Geschichten – und von Korsika besonders gern…
Lasst es euch weiterhin gut gehen, Gaby & Peter
Renate und Wolfgang
10. Juni 2023 at 10:33Wie immer spannend erzählt und super Bilder- das macht Appetit auf Korsika!